Mittwoch, 24. Mai 2006

"Sakrileg"

DER GRAL

1. Zugang über die Werke Richard Wagners

Lohengrin

Gral: Der Kelch des letzten Abendmahls und zugleich das Gefäß, in welchem das Blut Christi aufgefangen wurde, als er am Kreuz hing. Vom Gral geht eine Wunderkraft aus, durch welche die Gralsritter nicht altern und unbesiegbar sind. Diese Kraft versiegt nie, da sie alljährlich am Karfreitag erneuert wird. Der Gral wird zusammen mit dem heiligen Speer aufbewahrt, das ist die Waffe, mit der Christus am Kreuz verwundet wurde.

Gralsritterschaft: Von Titurel gegründet. Er hatte die Gralsreliquien von Engeln erhalten. Die Aufgabe der Gralsritterschaft ist es, in Not geratenen Menschen zu helfen. Die Ritter müssen dabei ihre Identität geheim halten.

Gralsburg: Monsalvat (= Montserrat in Spanien?) wird nur von demjenigen gefunden, der vom Gral selbst dazu berufen ist.

Parsifal

Mitleid: Die Gralsritter haben kein Mitleid mit dem an einer unheilbaren Wunde leidenden Gralskönig Amfortas, Titurels Sohn. Sie zwingen ihn, die Gralszeremonie durchzuführen, durch die sein Leben und Leiden weiter verlängert werden. Kundry hatte die Kreuzigung Chrsiti in Jerusalem miterlebt und kein Mitleid mit Christus gehabt. Sie ist seither mit einem Fluch belegt, durch den gezwungen ist, die Gralsritter zu verführen. Zwischendurch versucht sie durch Buße ihre Schuld zu sühnen.

Amfortas: Er versuchte den Zauberer Klingsor zu bekämpfen, durch den die Gralsritter bedroht wurden – aus Rache dafür, dass er von diesen nicht aufgenommen worden war. Aber Amfortas ließ sich von Kundry verführen und vergaß daraufhin seine Sendung. Er verlor dadurch den heiligen Speer und wurde verwundet.

Erlösung: Sie ist nur durch einen „reinen Thoren“ möglich. Das ist Parsifal. Er hat Mitleid mit Amfortas und erkennt während der Vereinigung mit Kundry die Zusammenhänge. Er widersteht ihr, gewinnt den heiligen Speer zurück, heilt Amfortas und wird neuer Gralskönig. Damit erlöst er einerseits Kundry von ihrem Fluch, andererseits errettet er den Gral „aus schmutzbefleckten Händen“.

Richard Wagners Vorlagen

Das waren mittelalterliche Heldenepen, insbesondre „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach. Die Oper ist jedoch eine sehr freie Bearbeitung dieses Epos. Bei Wolfram ist der Gral ein Kristall. Daher hat Wagner seine Vorstellung des Grals aus „Perceval“ von Chrestien de Troyes übernommen.

2. Neuere Theorien über den Gral

Es gibt zahlreiche Theorien darüber, was der Gral sein und wo er sich befinden könnte.
Die Tempelritter werden dabei oft ins Spiel gebracht. Das war ein mittelalterlicher Ritterorden, der in den Kreuzzügen eine wichtige Rolle spielte, danach aber vom Papst aufgelöst wurde. Gerade diese Auflösung des Ordens beförderte immer wieder diverse Vermutungen über deren Ursache.

Peter und Johannes Fieback

Sie behaupten, der Gral stammt von Außerirdischen, die ihn Moses übergeben hatten. Es handelt sich dabei um eine Maschine, mit der Manna hergestellt werden konnte. Diese Maschine wurde in der Bundeslade aufgewahrt, von den Templern in den Ruinen des Tempels von Jerusalem wieder gefunden und nach Europa gebracht. Die Autoren identifizieren den Kristall, den Wolfram von Eschenbach in seinem Epos beschrieb, mit dieser Maschine. Seit der Auflösung des Templerordens ist der Gral verschollen.
(Peter und Johannes Fieback: Das Grals-Geheimnis, Herbig-Verlag 1983.)

Henry Lincoln

Seiner Theorie zufolge war Jesus mit Maria Magdalena verheiratet und hatte Nachkommen, die nach Südfrankreich kamen. Von ihnen stammen die Merowinger ab. Der Gral ist somit kein Gegenstand, sondern die Familie der Nachkommen Jesu: San Gral = Sang real (königliches Blut). Diese Theorie liegt auch dem Buch und dem Film „Sakrileg“ zugrunde.
(Henry Lincoln et al.: Der heilige Gral und seine Erben, Lübbe-Verlag 1987.)

Michael Hesemann

Er identifiziert den Gral mit dem Santo Caliz, einem Kelch, der in der spanischen Stadt Valencia aufbewahrt wird. Dort gibt es bis heute eine entsprechende Bruderschaft. Der Santo Caliz besteht aus einem kleinen Achatbecher, der tatsächlich aus der Zeit Christi stammen könnte. Im Mittelalter wurde mittels Edelmetallmontierungen daraus ein Kelch gefertigt.
(Michael Hesemann: Die Entdeckung des heiligen Grals, Pattloch-Verlag 2003.)

Einige weitere Orte, an denen der Gral vermutet wird/wurde:
- Rennes-le-Château
- Rosslyn Chapel
- Wiener Schatzkammer


3. Das Buch/der Film „Sakrileg“

Warum erweckt „Sakrileg“ so große Aufmerksamkeit?
Großes Interesse am Thema „Gral“ bis heute. Das erkennt man auch anhand der vielen verschiedenen Theorien, die darüber kursieren. Wenn man bei Amazon das Suchwort „Gral“ eingibt, werden über 240 Titel angezeigt.
Die geheimnisvolle Gemeinschaft der Prieuré de Sion.
„Sakrileg“ ist einfach eine spannende Geschichte – ein Krimi, der mit der Suche nach dem Gral verknüpft ist, wobei verschlüsselte Hinweise auf berühmten Gemälden und mysteriöse Symbole in mittelalterlichen Kirchen eine Rolle spielen.

Ist der Protest der (v. a. katholischen) Kirche gerechtfertigt?
Es wird zwar behauptet, dass Jesus und Maria Magdalena gemeinsame Kinder hatten. Aber das Erlösungswerk Jesu wird dadurch in diesem Werk nicht angezweifelt.
Die Fortsetzung von Lincolns Theorie, dass Jesus nicht am Kreuz gestorben sei, sondern danach noch weitergelebt habe, hat nicht in „Sakrileg“ Eingang gefunden.
Das Opus Dei spielt in der Handlung eine äußerst zwiespältige Rolle.
Hinweis auf das Konzil von Nizäa und darauf, dass viele Traditionen innerhalb der christlichen Kirchen nicht direkt auf Christus zurückgehen, sondern erst in den ersten Jahrhunderten nach seinem Tod und im Mittelalter entstanden sind.
Die Geschichte aus der Kindheit des Protagonisten, der in einen Brunnen gefallen war und in völliger Einsamkeit und Hilflosigkeit in Gott die einzige Hoffnung gefunden hatte, wirkt hingegen versöhnlich mit dem Christentum.

Resümee: Auch ohne die Proteste der Kirche hätte das Buch/der Film „Sakrileg“ genug Erfolg. Es wird dadurch die Aufmerksamkeit höchstens noch gesteigert. Schadet sich die Kirche durch ihre Haltung? Einerseits erscheint die Kirche wieder einmal „total uncool“, andererseits kann man ihr zugestehen, dass sie zu verhindern versucht, dass die christlichen Glaubensinhalte ins Beliebige abgleiten.